7 Sonntag SprChe die Dich berraschen werden
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München-Schwabing, 1958: Gerda Branniger steht in den Startlöchern, um das familiäre Hopfenimperium zu übernehmen. Ihr Leben lang hat sie sich darauf vorbereitet, nur eines fehlt ihr: das richtige Geschlecht, denn plötzlich wird ihr der völlig unqualifizierte Bruder vor die Nase gesetzt. Dann erhebt auch noch Schwester Liesel Anspruch auf den Chefsessel – für ihren Ehemann. Gerda hat nur eine Verbündete in dem ungleichen Kampf: ihre Freundin Billie, die als Ingenieurin schon seit Jahren um Anerkennung in einer Männerwelt ringt. Doch während bei Billies Kampf nur regelmäßig die Kündigung droht, steht bei Gerda schon bald das jahrhundertalte Erbe der Familie auf dem Spiel …
Gerda blieb stehen, stützte sich mit einer Hand an der Wand ab und rieb mit der anderen über die schmerzende Ferse. Sie hätte Nein sagen sollen. Nein zu dem spontanen Besuch des Tanzlokals, Nein zu diesen Schuhen, die keine Schuhe, sondern ein Folterwerkzeug waren.
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»Komm schon, Gerda!« Billie winkte sie weiter. Wie schaffte sie es nur, so leichtfüßig zu laufen? Auf Absätzen, die sich zur Größe eines Pfennigs verjüngten, in jeder Ritze stecken blieben und mit Sicherheit für weit über siebzig Prozent aller verstauchten Knöchel in München verantwortlich waren.
Seufzend humpelte Gerda auf das hell erleuchtete Tanzlokal zu, nicht die beste Adresse in München, aber heute offenbar die begehrteste. Davor hatte sich eine Traube gebildet, an der Billie in vollkommenem Selbstverständnis vorbeitänzelte. Unten wippte der himmelblaue Petticoat im Takt ihrer Schritte, oben ihre hellblonden, kinnlangen Haare.
Inzwischen waren sie ganz vorne an der Schlange angekommen. Billie zog zwei Karten aus ihrer Handtasche und hielt sie triumphierend in die Höhe. Eilfertig winkte der Ordner sie zur Tür und ließ sie nach einem kurzen Blick auf die Karten eintreten.
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»Nun bist du baff, nicht wahr?« Billie lachte und zog sie durch die Menge zur ersten Tischreihe. Sie sah sich kurz um, dann steuerte sie zielstrebig einen kleinen runden Tisch an. »Und das Beste: Der erste Cocktail ist umsonst!« Sie winkte den vorbeieilenden Kellner zum Tisch. »Zwei Gin Fizz, bitte. Extravoll!«
Neugierig sah Gerda sich um. Bestimmt würde der Schenker der Karten sich noch zu ihnen gesellen. Sie betrachtete die Besucher, schätzte die meisten auf ihr Alter, in den Zwanzigern, höchstens Dreißigern.
Janek Wonka, schoss es ihr durch den Kopf, den sie sogleich unmerklich schüttelte. Dennoch drängte sich Janeks Bild vor ihr inneres Auge. Die blonden Haare zerzaust, die Augen voller Tränen. Ihre letzte Begegnung, acht Jahre war das her, kurz nach dem Abitur, als Billie ihm den Laufpass gegeben hatte. Am Isarufer hatte er gesessen und kleine Kiesel in den Fluss geworfen. Sie hatte sich danebengesetzt, ihm stumm Kiesel zugeschoben. Gesagt hatte sie nichts, nicht ein Wort, dabei hatte sie ihm so viel sagen wollen. Dass er den Kummer mit Billie nicht verdient hatte, zum Beispiel. Dass sie ihn aufrichtig gern hatte. Eigentlich mehr als gern, doch das wäre ihr natürlich niemals über die Lippen gekommen. Aber dass sie hoffte, ihn weiterhin zu sehen, auch ohne Billie, das hatte ihr fast eine Stunde auf der Zunge gebrannt, ohne je ausgesprochen zu werden. Und dann hatte sie ihn nie wiedergesehen. Nicht in München, nicht in der Hallertau. Weggezogen sei er, hatte Mutter ihr ein paar Monate später erzählt, nebenbei als Randnotiz, ohne zu bemerken, dass sie ihrer Ältesten gerade das Herz brach. Erneut schüttelte Gerda den Kopf. Janek Wonka. Was er wohl heute machte? Ob er hinter den geschenkten Karten steckte? Passen würde es zu ihm.
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Sie nippte an dem Gin Fizz, den der Kellner erstaunlich zügig vor ihr auf einem Bierfilz abgestellt hatte. Wie Janek heute wohl aussehen mochte?
»Egal.« Billie nickte mit dem Kopf unauffällig nach rechts. »Die Frau dahinten mit dem grünen Kleid sieht aus wie eure Buchhalterin. Ich hoffe nur, ich habe mich getäuscht.«
Gerda folgte Billies Kopfbewegung, konnte jedoch kein grünes Kleid mehr in der Menge erkennen. Und warum sollte Frau Grünling nicht hier sein? Billie sprach heute wirklich in Rätseln.
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»Willst du mir den Abend verderben?« Billie nahm einen kräftigen Schluck von ihrem Cocktail. »Schrecklich wie immer. Du weißt ja gar nicht, was für ein Glück du hast.«
Doch, das wusste Gerda sehr genau. Erbin einer Hopfendynastie zu sein, war ein Privileg, das wusste sie auch ohne die ständige Erinnerung ihres Vaters. Sie liebte den Hopfen. Seine ausladenden Blätter, den Duft, die Weichheit der frischen Dolde, die goldene Farbe des kostbaren Lupulins, dessen Bitter- und Aromastoffe den Hopfen erst so wertvoll machten. Sie liebte den Anblick der Hopfengärten mit den tiefen grünen Fluren, deren Hopfenranken im Frühjahr in atemberaubender Geschwindigkeit in den Himmel wuchsen. Und sie liebte es, den kompletten Kreislauf zu begleiten, vom ersten Austreiben der Stecklinge auf Mutters Hof über die Trocknung der mühsam geernteten Dolden auf den riesigen Darren bis hin zur Bonitur der Dolden und deren Lagerung und Verkauf in Vaters Hopfenhandel in München, wo sie selbst gerade ihre Ausbildung vollendete.
»Er muss dir Prokura geben. Ihr braucht einen neuen Stellvertreter, und außer deinem Vater kennt niemand euer Geschäft so gut wie du. War dein Vater nicht etwa so alt wie du, als er Prokura bekommen hat?«
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»Ein Mann.« Billie verdrehte die Augen. »Und du als Frau kannst natürlich nicht den Platz eines Mannes einnehmen. Dabei gibt es keine bessere Wahl als dich. Vor allem, nachdem er Peter zurück in den Verkauf geschickt hat.« Sie runzelte die Stirn. »Warum eigentlich? Was hat dein holder Schwager ausgefressen, dass er degradiert wurde?«
Gerda zuckte die Schultern. »Ich habe nur gehört, dass Peter sich als Schmuser wohler fühlt. Liesel sagt, er sei eben kein Büromensch, ihm hätten die Reisen und der Kontakt zu den Bauern und den Brauereien schon sehr gefehlt.«
»Was bist du mal wieder gemein«, sagte Gerda tadelnd, konnte sich ein Grinsen aber nicht verkneifen. Sie nippte erneut an ihrem Gin Fizz. Manchmal tat ihr Liesel fast ein wenig leid. Zugegeben, sie war nervig und neugierig und immer darauf bedacht, ja nicht zu kurz zu kommen. Aber sie war nun mal ihre jüngere Schwester – und musste sie Liesel daher nicht annehmen, wie sie nun mal war?
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In dem Moment strahlten Scheinwerfer auf, und ein Mann in einem schwarzen Anzug betrat die Bühne. Er tippte an sein Mikrofon, es krachte und rauschte, dann begrüßte er das Publikum zum heutigen Jazzabend. Gerda lehnte sich zurück, die Worte des Mannes verloren sich in ihren Ohren, ihre Gedanken schweiften zurück zu Peter, zu ihrem Vater, zu der vakanten Position. Billie hatte vollkommen recht. Vater müsste sie zu seiner Stellvertreterin ernennen. Vielleicht plante er dies ja und wartete nur darauf, dass sie morgen ihre letzte Lernstation mit Erfolg beendete. Ihr Studium der Volkswirtschaftslehre hatte sie mit Auszeichnung bestanden, ihr Lehrjahr bei Paulaner mit viel Lob hinter sich gebracht, nun die knapp drei Jahre im eigenen Haus, zuerst auf Mutters Hopfengut in der Hallertau, wo sie den Zyklus des Hopfens verinnerlicht hatte: die beschwerliche Arbeit mit der Hopfenhaue beim ersten Aufdecken der Hopfenstöcke, bei dem sie, laut Billies Berechnungen, täglich bis zu siebzig Tonnen Erde bewegten. Dann das endlose Bücken beim Zurückschneiden der schwachen Triebe, welches zumindest mit einem Festschmaus belohnt wurde, dem frischen Hopfenspargel, von dem Vater sich immer mehrere Kisten nach München liefern ließ. Schließlich das Spannen der Drähte – ganze Meisterschaften trugen junge Burschen darin aus, wer die meisten Drähte über die sieben Meter hohen Querseile werfen und verspannen konnte. Janek war damals besonders geschickt darin gewesen, gleich zwei Jahre hintereinander hatte er gewonnen. Und dann der tausendfache Kniefall vor dem Hopfen: das Anleiten der neuen Triebe, immer im Uhrzeigersinn um den Draht, jede einzelne Pflanze, mit der Akribie, die das grüne Gold der Hallertau seinen Bauern abverlangte. Denn schlampte man bei den täglichen Rundgängen durch die Hopfengärten, verpasste man den Zeitpunkt zum Nachleiten der Pflanzen oder übersah man einen Schädlings- oder Peronosporabefall, bezahlte man seine Nachlässigkeit spätestens bei der Ernte, dem finalen Kraftakt Ende August, mit Hunderten Stanglern, Pflückerinnen und Pflückern, die bei durchschnittlich dreißig Reben gute sechzigtausend Dolden pro Person und Tag ernteten.
Sie grinste. Selbst in ihrer Freizeit sinnierte sie über Hopfen. Als gäbe es nichts Interessanteres in ihrem Leben. Vielleicht war das so. Vielleicht war es aber auch das Zeichen, dass sie bereit war, Verantwortung zu übernehmen. Im Gegensatz zu Peter kannte sie die Arbeit im Hopfengarten, wusste um die Gefahren selbst nach der Ernte, bei der Trocknung der Dolden auf den riesigen Darren, sogar noch bei der Lagerung. Sie hatte den Blick auf das große Ganze, von der Arbeit der Hopfenbäuerin über die Theorie der Wirtschaftswissenschaft bis hin zu den Wagnissen des Hopfenhandels, den Vater in schlechten Jahren Hopfenroulette nannte. Peter hingegen war der geborene Schmuser. Er traf bei den Bauern und bei den Brauereien immer den richtigen Ton, diese Mischung aus jovial und anbiedernd, die Gerda nicht über die Lippen gehen wollte, aber die Bestellscheine füllte und die Unterschriften auf den Vorverträgen mit den Bauern sicherte.
Die Band legte los, die Rhythmen pulsierten im Raum, Gerda konnte ihren Blick nicht von Xaver nehmen. Er war Mitglied eines Jazzensembles? Warum wusste sie nichts davon?
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»Hmm …« Gerda lauschte den feinen Tönen der Klarinette. Xaver
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