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In dieser Arbeit soll die Novelle „Romeo und Julia aus dem Dorfe“ von Gottfried Keller besprochen werden. Die Erzählung erschien 1856 zusammen mit vier weiterenunter dem Titel „Die Leute von Seldwyla“.
Das erste Kapitel dieser Arbeit „Das literaturgeschichtliche Umfeld“ soll einen ersten Einblick in diese Welt vermitteln. Es behandelt die literarische Tradition des Romeo und Julia – Stoffes und verdeutlicht den Gegensatz Stadt / Land aus der Sicht Kellers. Um diese Zeit noch besser einordnen zu können, soll eine kurze Darstellung der Epoche (poetischer und bürgerlicher Realismus) gegeben werden, in der Keller gewirkt hat.
Die Inhaltsstruktur wurde zum besseren Verständnis in drei Teile gegliedert: Der Erzählanfang, der Wendepunkt der Erzählung und die beiden Schlußfassungen. Die Novelle besteht sozusagen aus zwei Handlungssträngen und es gilt aufzuzeigen, durch welche Mittel es der Autor schafft, daß die Erzählung dennoch ihre Einheit bewahrt.
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Eine Personencharakteristik soll Aufschluß über die Menschen geben, die diese Handlung tragen und zeigen, in welch unterschiedlicher Weise Keller diese Charaktere dargestellt hat.
In der Novelle finden sich zahlreiche Symbole. Diese Symbole, die oft leitmotivischer Art sind, sollen aufgezeigt und ihre Funktionen gedeutet werden. In dieser Arbeit werden allerdings nur drei besonders aussagekräftige Bilder behandelt: Haus, Feld und Fluß.
Keller sah in Shakespeares Romeo und Julia nicht ein unwiederholbares Kunstprodukt, sondern ein uraltes Paradigma für die schicksalhafte Beziehung von Liebe und Tod. Er hatte ein sicheres Gespür für das Archetypische dieses Stoffes. Die Entlehnung eines Shakespearetitels für Kellers Novelle hat sicher auch den Charakter einer Huldigung an den großen Briten. Denn Keller verehrte Shakespeare und schätzte vor allem seine szenische Gestaltungskraft. Keller kannte ihn nicht nur aus der Lektüre, sondern auch von Aufführungen des königlichen Schauspielhauses zur Zeit seiner Berliner Theaterleidenschaft.
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1855 begann Keller mit der Niederschrift der Novelle. Er hat den Stoff der sozialen Wirklichkeit seiner Zeit entnommen, nicht etwa dem Drama Shakespeares. Einzig das Parellelmotiv zum Tode des Tybalt, die Niederschlagung des alten Marti, könnte von der Shakespearelektüre angeregt sein.
Einem Züricher Zeitungsartikel aus dem Jahre 1847 entnimmt Keller den Freitod Romeos und Julias nach einer durchtanzten Nacht. Er hat diesen Bericht sorgfältig aufgehoben und erst acht Jahre später in seiner Novelle verwendet. Ebenfalls aus dem Jahr 1847 ist eine Tagebuchnotiz, die das Motiv der verfeindeten Bauern andeutet. Der Titel der Novelle will nicht sagen, daß hier ein barocker Dramenstoff in eine Dorfgeschichte transportiert ist, sondern daß die Grundmotive großer Dichtung sich ständig wiederholen, im alltäglichen Leben wie in der Kunst.
Im 17. Jahrhundert kursierten in Deutschland zahlreiche Romeo und Julia – Erzählungen. Sie enthielten nach dem Vorbild barocker Poetologie stets eine moralische Nutzanwendung. Die Tugendlehren wurden mit einer Klage über die Sittenlosigkeit der Zeit verbunden.
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Im Gegensatz zu Shakespeares Drama, in dem es am Schluß zur Versöhnung beider verfeindeter Familien kommt und sie ihre Schuld einsehen, läßt Keller seine Novelle mit dem harten, unbarmherzigen moralischen Verdikt eines bürgerlichen Zeitungsblattes enden. Die bürgerliche Gesellschaft verdammt sich damit selbst.
Vor allem in der Schweiz hat dieses Thema eine besondere volkserzieherische Tradition. Der Landmann erschien in der bürgerlichen Aufklärung des 18. Jahrhunderts als Inbegriff einer moralisch gesunden, auf vernünftiger Wirtschafts- und Lebensführung gegründeten Menschlichkeit.
Ein wichtiger Zeitgenosse für Keller war Jeremias Gotthelf (1797-1854). Keller las in seinen Berliner Jahren Gotthelfs Erzählungen mit kennerhaftem Entzücken und war in mancherlei Hinsicht geradezu Gotthelfs Schüler. Der Landpfarrer Gotthelf sah die Wandlungen im Leben der Bauern genau. Auch wenn die altüberlieferten Abhängigkeiten vom Landadel aufgehoben waren, so ergaben sich für die Bauern neue Abhängigkeiten. Es folgte eine häufige Verschuldung und Auslieferung an gewissenlose Bodenspekulanten und ein profitgieriges Aufkäufer- und Händlertum. Er sieht im Liberalismus der neuen Berner Kantonsregierung und in den traditionsfeindlichen Fortschrittsgesinnungen von 1848 Gefahren für das Schweizer Landvolk.
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Die Quelle einer guten christlichen Demutsgesinnung sieht Gotthelf im ruhigen Rhythmus des Arbeitsablaufs der jahreszeitlich wechselnden Arbeiten und der Verläßlichkeit in der Sorge für Mensch und Tier. Die Bedeutung Gotthelfs jedoch liegt weniger in seiner Tätigkeit als Moralist, denn als Erzähler und seine Darstellungen sind voller Farbe und Kraft.
Die Namen Sali und Vreni seien Gotthelfsche Namen. Ebenso seien die Charaktere der Väter den Bösewichten bei Gotthelf sehr ähnlich und das Motiv vom „abgeschleipften Hof“ sei auch übernommen.
Gotthelf und Keller begegnen sich in ihrer Parteinahme für die ursprüngliche bäuerliche Wesensart. Gotthelf, der Verfechter einer religiös gebundenen Ständeordnung und der Freischaren-Revolutionär Keller. Er knüpft mit seiner Dorfnovelle durch Vermittlung Gotthelfs an die Tradition der schweizerischen Patriotenbünde des 18. Jahrhunderts an.
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Keller verfügt über einen genauen, kritischen Blick für die Menschen und ihre Lebensverhältnisse. Diese Fähigkeit bewahrt ihn davor, in den dorfliterarischen Provinzialismus abzugleiten.
Der Novellenzyklus „Die Leute von Seldwyla“ wird sowohl dem bürgerlichen, als auch dem poetischen Realismus zugeordnet. Mit dem ersten Begriff wird eine historische Einordnung vorgenommen. Er dient zur Beschreibung dessen, was erzählt wird. Der zweite Begriff beschreibt wie erzählt wird und akzentuiert poetologische Besonderheiten literarischer Werke. In „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ und auch in den anderen Novellen dieser Sammlung geht es nicht um das Schicksal gesellschaftlich hochrangiger Personen, sondern um Menschen aus dem bürgerlichen Milieu. Daher ist das Werk auch dem bürgerlichen Realismus zuzuordnen. Der Begriff des bürgerlichen Realismus wird vor allem zur historischen Einordnung der Werke Theodor Fontanes (1819 – 1916) und Thomas Manns (1875 – 1955) verwendet. Während sich die beiden Autoren mit dem städtischen Bürgertum befassen, vornehmlich Lübeck oder Berlin, entstammen Kellers Figuren dem ländlichen Bürgertum. Die „einfachen Leute“ sollen durch Kellers Werke erfahren, daß Leidenschaft, Haß und Liebe keinen Klassenunterschied kennt. Er erzählt, im Gegensatz zu Mann und Fontane, von einfachen, durchschnittlichen Menschen aus dem Volk, die keine Machtposition haben. Es geht Keller auch weniger um die Darstellung historischer Prozesse. Seine Wirklichkeit wirkt im Vergleich zu den beiden anderen Autoren eher statisch. Fontane und Mann richten ihr Augenmerk auf geschichtliche Entwicklungen und stellen eine dynamische Welt dar, die in Bewegung ist. Auch Keller beschreibt zeitgenössische politische und gesellschaftliche Zustände, doch in erster Linie geht es ihm um allgemein menschliche Probleme, die von der konkreten historischen Situation unabhängig sind. Und hier erweist sich Keller als poetischer Realist. Das Über-Individuelle und Über-Historische sind sein Thema. Er behandelt seinen Stoff so, daß er ihm über das Konkrete hinaus eine allgemeine, höhere Bedeutung verleiht.
Für den poetischen Realisten gibt es im Gegensatz zum Naturalisten keine objektive Realität, die objektiv ohne die vermittelnde Instanz eines Erzählers wiedergegeben werden kann. In den Seldwyler Novellen besteht die vermittelnde Instanz aus einem allwissenden Erzähler, der das Geschilderte auch bewertet und kommentiert.
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Objektivität und Subjektivität sind im poetischen Realismus miteinander vermischt. Bei der literarischen Gestaltung der Wirklichkeit seine eigene Persönlichkeit mit einfließen. In „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ macht Keller durch die symbolische Bedeutung seiner Motive deutlich, welche höhere Bedeutung er in dem Erzählten sieht.
Dennoch läßt sich die Novelle nicht eindeutig einer literarischen Epoche zuordnen. Die Geschichte des jungen Paares hat durchaus auch romantische Züge. So markiert sie wohl vielmehr einen Übergang zwischen Romantik und Realismus.
Kellers Novelle besteht aus zwei Handlungssträngen, der Streit der Bauern und die Liebe der Bauernkinder. Dadurch erhält die Erzählhandlung eine Zweigliedrigkeit, welche die Novelle in scharfem Schnitt fast in der Mitte trennt (S. 48 Recl.).
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Die Geschichte der Bauern ist weitgehend abgeschlossen, seit Marti durch Salis Schlag irrsinnig wurde. Die Alten sind, abgesehen von Salis Abschied von den Eltern (S.56), aus dem Geschehen verschwunden.
Auffällig ist die nun einsetzende Dehnung der Erzählzeit. Der erste Teil bis Seite 49 beinhaltet etwa 14 Jahre, die ab Seite 50 einsetzende erzählte Zeit umfaßt hingegen bis zum Schluß der Novelle 4 Tage.
Auch im Erzählstil gibt es Auffälligkeiten: er wird inniger, zarter, gewinnt Märchenzüge. Die Erzählung bewahrt trotz dieser harten Brüche ihre Einheit. Dies gelingt Keller durch zahlreiche Motivwiederholungen, motivische Kontrastierungen, schicksalsträchtige Antizipationen und vor allem durch die tragische Konsequenz der Geschichte, die aus Charakteren und Handlung erwächst.
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Das aufzuzeigen, soll Ziel dieses Kapitels sein. Zur Verdeutlichung wurde die Inhaltsstruktur in drei Bereiche geteilt: Der Erzählanfang, der Wendepunkt der Erzählung und die zwei Schlußfassungen.
Am Anfang der Novelle wiederholen sich leitmotivisch Hinweise auf Ordnung, Fleiß, Sicherheit und Wohlstand. Es ist die Rede von der „zärtlichen Bäuerin“ (S.5), vom „sichern, gutbesorgten Bauersmann (3), der an anderer Stelle auch „fleißiger Meister“ genannt wird (5) und von „stattlichen Pferden“ (4). Es eröffnet sich eine Welt satter bäuerlicher Wohlhabenheit, erfüllt von Ruhe und Frieden.
Die beiden Bauern pflügen tagtäglich unbeirrt nebeneinander her. Sie sind einander in wortkarger, aber freundlich-nachbarlicher Gesinnung verbunden. So setzt man sich auch „als gute Nachbarn“ zu einem gemeinsamen „Vormittagsimbiß“, welches von ihren Kindern Sali und Vreni in einem „Kinderwägelchen“ gebracht wird (S. 5). Das sorgsam bereitete Frühstück läßt wiederum auf einen reinlichen, ordentlich geführten Hausstand schließen.
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Die Beschreibung der Hosenfalten der Bauern, „ihre Unveränderliche Lage“, die wie „in Stein gemeißelt aussah“ (3), sowie die gleichfarbenen und gleichgeformten Zipfelkappen, die zeitgleich durch den Ostwind „wie zwei weiße Flammen gen Himmel züngelten“, verleihen hier Ordnung und Gleichmaß eine leichte Übertriebenheit, einen leisen Beiklang von Komik.
Der „Sinn für Symmetrie und parallele Linien“ (17) entwickelt sich später beim Bauern Manz zu einer verhängnisvollen, zwanghaften Marotte. Diese Marotte deutet sich bereits vorher an: „..alles muß zuletzt eine ordentliche grade Art haben“ (14).
Der Enge und Abgegrenztheit des Dorflebens, wo strenge Sitten und Traditionen vor dem Individualismus des einzelnen stehen, entspringt auch eine Feindschaft gegen soziale Außenseiter wie der schwarze Geiger. Dieser Ordnungs- und Traditionssinn
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